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Gefühle fühlen

Gefühle fühlen klingt total einfach und man könnte meinen, das kann jeder. Gefühle hat der Mensch ja sowieso seit seiner Geburt und jeder ist mal traurig, wütend, schuldvoll, reuevoll, zufrieden, freudig, ängstlich, aufgeregt, und, und und.


Tatsächlich stelle ich fest, dass hinter fast allem, was uns an Problemen, Konflikten und oft auch Schmerzen im Körperbereich ungefühlte Gefühle dahinter stecken. Egal ob Du den Blickwinkel über Körperorientierte oder Psychologische Ansätze nimmst - eines ist gewiss. Überall wo uns das Leben Schwierigkeiten in irgendeiner Form bereitet sind neben Gedanken, Überzeugungen, Kompensationsstrategien, Empfindungen auch dazu Gefühle drin.


In der Beratung und Prozessbegleitung setze ich an ganz unterschiedlichen Stellen an, je nachdem, was für mein Gegenüber gerade ansteht und wozu er sich mit mir auch bereit erklärt. Da arbeiten wir an Gedanken, an Mustern, an neuen Reaktionsmöglichkeiten, am verstehen von Zusammenhängen und vielem mehr. Und oft geht es eben darum, Gefühle zu fühlen.


Denn viele fühlen ihre Gefühle nicht effektiv.

Mit nicht effektiv meine ich, dass ihre Gefühle quasi die Kontrolle übernehmen. Es geschieht eine Art Verschmelzung mit dem Gefühl, was sich bereits in der Ausdrucksweise zeigt: "Ich bin wütend!", "Ich bin traurig.", "Die Trauer übermannt mich.", "Ich versinke in Angst und Sorge.". Kannst Du die Verschmelzung mit dem Gefühl in der Ausdrucksweise erkennen? Und genau hier liegt der Haken im Gefühle fühlen. Denn übernimmt das Gefühl die Führung, sind wir ihm nicht nur ausgeliefert in Dauer und Heftigkeit, oft bestimmt es auch die Reaktionen, mit der wir dann dem Aussen begegnen. Je nach Gefühl gibt es hier unterschiedliche typische Reaktionsmuster und je nach Kompensationsstrategie unterscheidet sich dann auch der Umgang damit. Wo die einen in die Ablenkung gehen, sind Andere stark darin Gefühle möglichst gar nicht zu fühlen, wieder Andere übertragen sie einfach auf nahestehende Personen oder Andere haben sich Verhaltensweisen angeeignet, um Gefühle zu überspielen. Alles sind in der Regel kräftezehrende Umgangsformen, deshalb erachte ich sie nicht als effektiv. Tragen wir sie mit unserem nächsten Umfeld aus, entstehen daraus Konflikte oder Schmerzen beim Gegenüber, die auch wieder Kräftezehrend sind. Dazu kommt, dass sich tiefer liegende Gefühle mit diesen Strategien auf keinen Fall abbauen lassen. Also überhaupt nicht effektiv.


Der einzige Weg, alte Gefühle los zu werden geht übers sinnvolle Fühlen. Wie funktioniert das?

Verschiedene Wege und Formen führen zum sinnvollen Gefühle fühlen. Und doch folgen sie meinen Beobachtungen und Nachforschungen nach dem selben Grundmuster:

  1. Distanz schaffen zum Gefühl.

  2. Mit dem Gefühl über eine limitierte Dauer sein, es fühlen.

  3. Die Frage, was das Gefühl jetzt braucht.

  4. Manchmal die Botschaft des Gefühls erkennen.

  5. Sich etwas Anderem widmen. It's done! Für den Moment.

Schritt 1: Distanz zum Gefühl schaffen

Distanz zum Gefühl verschaffst Du Dir über verschiedene Methoden. Bei allen Methoden geht es darum, dass Du das Gefühl fühlst, doch dass Du es schaffst, gleichzeitig auf der Metaebene dich selbst dabei zu begleiten, die Führung zu behalten. Eine Methode ist es,, dass die Wortwahl angepasst wird. Anstatt "Ich bin wütend", sagst du: "da ist Wut in mir". Dabei ist es wichtig, sich wirklich innerlich ein Stück zu distanzieren. Mir hilft hier z.B. oft das Bild des Besuchers. Wenn das Gefühl ein Besucher ist, dann kann ich mich entscheiden, ob ich jetzt gerade die Kapazität und Kraft habe, mich dem Besucher zuzuwenden oder ihm zu sagen, er solle zu einem gelegenerem Zeitpunkt wieder kommen. Das macht schon mal Sinn, weil du weder mitten in der Teamsitzung die Kapazität hast dich richtig um eine plötzlich auftretende Trauer zu kümmern, noch hast du im Zug mit einem Kleinkind beim Umsteigen die Kapazität dich um ein Gefühl der Wut zu kümmern. Doch wenn wir ein Gefühl parken, ist es wichtig, dass wir uns dem Gefühl zu einem späteren Zeitpunkt zuwenden, wenn wir dann eben die Kapazität haben. Und da kümmern wir uns um den Besucher. Das heisst, es ist mal ein "JA" zum Besucher, ein "Willkommen", ein "Ich sehe dich", "Ich höre dich", "ich nehme dich wahr". Das Ja muss nicht heissen, ich finde es toll, dass du da bist. Doch ich sehe, du bist da und ich bin bereit mich dir zuzuwenden, auch wenn du gerade ein unliebsamer Gast bist je nachdem.


Manchmal ist es zudem wichtig, davor zu definieren, wie lange und wo du dich deinem Besucher zuwenden magst. Der Ort und die Dauer kann viel verändern, ob es kräftezehrend oder gewinnbringend ist.


Schritt 2: Mit dem Gefühl sein. Es fühlen.

Das Gefühl braucht die Führung von Dir, also eine erwachsene, kompetente Person. Bei Kindern übernehmen oft Eltern und Fachpersonen die Führung und somit die Co-Regulation, so dass das Kind seine Gefühle fühlen kann ohne darin zu versinken. Sind wir Erwachsen und nicht gerade in einer Prozessbegleitung wo uns jemand Co-Reguliert, müssen wir dies mit uns selbst tun. Dabei nehme ich selbst gerne zwei Techniken mit mir und meinen Kundinnen zur Hand. Die eine Technik ist die Arbeit mit inneren Aspekten. Hier ist es der Aspekt des inneren Kindes. Innere Kind Arbeit kann helfen, dass wir uns dem eigenen Gefühl zuwenden können, indem wir uns selbst dabei als jüngeres Kind sehen, welches diese Gefühle gerade hat. Dies kann sehr entlastend wirken, weil diese Gefühle oft nicht rational erklärbar sind und ihre Form wie sie sich zeigen. Doch sehen wir sie als Teil eines verletzten, wütenden, enttäuschten kindlichen Anteil, können wir die Ausmasse und Ausdrucksformen viel besser verstehen, nachvollziehen und akzeptieren. Es kann dann einfacher fallen, sich selbst zuzuwenden und die Co-Regulation zu behalten. Wenn liebevolle innere Anteile fehlen, die sich ums innere Kind kümmern und sehr strenge innere Richter vorhanden sind, hilft es ungemein, wenn wir innere Aspekte wie die "Ur-Mutter" und der "Ur-Vater" für uns entdecken. Egal wie wir unsere Eltern im echten Leben erlebt haben, diese inneren Instanzen wissen genau, wie eine liebevolle und sinnvolle Gefühlsbegleitung geht. Genau hier erlebe ich oft eine grosse Veränderung bei erwachsenen Menschen, die sich vor dem Kennenlernen dieser beiden Instanzen sich einfach nicht selbst liebevoll zuwenden konnten. Etwas haben alle 3 Instanzen gemeinsam (Inneres Kind, Ur-Mutter, Ur-Vater): Du darfst zuerst eine tiefe Verbindung mit ihnen herstellen. Dies schaffst Du über Imaginationsreisen und das Fühlen und nicht übers rein kognitive Verstehen. Wenn Du also ein Buch übers innere Kind gelesen hast, aber die Verbindung damit noch nie gefühlt hast, wird sich diese Methode für dich kaum auf den Alltag übertragen lassen. Zu oft höre ich, dass Therapeuten ihren Klienten einfach nur sagten: "Du musst dich halt dem inneren Kind zuwenden". Das bringt dann gar nichts, weil kein Bezug dazu vorhanden ist.


Eine zweite Methode ist die somatische Arbeit mit dem Gefühl. Hier bist Du viel mehr bei der Körperempfindung, als beim Namen des Gefühls. Z.B. "Da ist ein Druck im Bauch. Ich fühle ihn im oberen Bauch. Er ist wie eine Kugel. Diese ist dunkel und ganz fest. Die Kugel ist schwer, ja, schwer wie Blei. Sie zieht nach unten." Diese Sprache ist wie eine eigene Form der Sprache, die allerdings den Zugang zum limbischen System in unserem Hirn findet. Ich wende sie mit mir selbst und oft mit meinen Kundinnen an. Es braucht nicht häufig, dass ich Kundinnen mit dieser Sprache durch ihr Gefühl leite, so dass sie es dann Zuhause selbst für sich anwenden können. Doch auch ohne Bücher oder persönliche Anleitung ist das etwas, das du gut einfach selbst mal probieren kannst. Vielleicht kommt dir auch ein Gegenstand, eine Farbe, eine Form zum Gefühl. Sei einfach damit und schau, wie es sich bereits so verändert.


Eine weitere Methode kann das Fühlen mit Hilfe von Klopftechniken sein. Oder dann mit der Hilfe einer formativen Ausdrucksweise, z.B. übers wahrnehmen und verändern der Körperhaltung darin (dies kannst du nur mit Unterstützung eines geeigneten Therapeuten erlernen). Ebenso gibt es Methoden wie das Tönen, Musizieren, Malen, Tanzen, Cranio Sakral Therapie, Atemarbeit und unzähligen weiteren Methoden und Möglichkeiten. Egal welche es ist, sie soll uns zusagen und entsprechen und da beim Fühlen auch Traumas berührt werden können, erachte ich es als essentiell, dies nur mit Profis zu machen. Die Wahl des Begleiters darf hier also wohl bedacht werden! (Z.B. nicht jede, die Breathwork anbietet oder sich Coach nennt, hat auch das Fundament, tiefere aufkeimende Themen aus dem Rucksack professionell zu begleiten.)


Schritt 3: Die Frage, was das Gefühl jetzt braucht

Sind wir eine Weile mit dem Gefühl ist es wichtig, zu sehen, was das Gefühl jetzt braucht. Dies klingt in Worten komisch, begleiten wir die Gefühle auf der Metaebene, ist das aber voll natürlich. Die Formen was das Gefühl braucht sind unzählig, trotzdem mal ein paar Beispiele, was ich u.A. so im Praxisraum bei meinen Kunden erlebe. (Die Worte sind wie aus der Sicht des Gefühls geschrieben):

  • nimm mich an die Hand

  • gib mir für einen Moment einfach Deine Liebe

  • ich bin am falschen Ort in Deinem Körper, ich gehöre eigentlich an einen anderen Platz. Suche den richtigen Platz in Deinem Körper.

  • ich fühle mich von dir abgestossen und unwillkommen. Akzeptiere mich als Teil von Dir, auch wenn ich weiss, dass Du mich eigentlich nicht willst, Vielleicht lernst Du ja irgendwann sogar meinen Wert für Dich kennen und schätzen.

  • sieh mich einfach, dann brauche ich hier nicht mehr so zu toben um von dir gesehen zu werden.

  • hör dir meine Warnung an und entscheide dich, wie du mit meiner Warnung umgehst. Vorher gebe ich keine Ruhe.

  • atme einfach, atme.

  • ich brauche eine positive Affirmation und Botschaft von Dir, damit ich mich beruhigen kann.

  • bitte Deinen Mann, Deine Frau, dass sie Dich für einen Moment einfach festhält.

  • suche Dir einen Raum mit Begleitung, um mich wirklich ganz fühlen zu können. Ich weiss, ich mache Dir zuviel Angst sonst und dann drückst Du mich wieder weg.

  • lass Licht oder eine Farbe zu mir hinfliessen.

  • schenke mir mit Deinem Atem Weite und Ausdehnung, so dass ich aus der Enge herauskomme.

  • stell mir ein Krafttier oder eine Blume an die Seite, so dass ich heilen kann und nicht mehr so alleine bin.

  • ich brauche die bedingungslose Liebe der Ur-Mutter, des Ur-Vaters in Dir.

  • gib Dich mir hin und ich löse mich dadurch auf, wenn Du die Kontrolle loslässt.

  • geh los und sage Stopp! Tu was, komm in Bewegung! Ich bin hier um Dir zu sagen, dass Du etwas verändern sollst.

  • gib mir einen Moment in der Natur.


Es gäbe so viel mehr um hier aufzuzählen. Es gibt ja schon so viele Gefühle und alle stehen für etwas anderes. Wie gesagt mag dies alles komisch klingen, doch wenn jemand sein Gefühl fühlt, ist es für denjenigen einfach normal, weil ja das eigene Gefühl und System sagt, was es grad braucht.


Schritt 4: Die Botschaft des Gefühls erkennnen

Oft ist es nach dem Fühlen noch wichtig, die Botschaft zu erkennen. Denn Wut Gefühle möchten uns oft mitteilen, dass hier eine Grenze von uns überschritten wird oder dass wir bei einem Punkt für Veränderung sorgen sollen. Angst Gefühle möchten uns oft sagen, dass etwas gefährlich sein könnte, dass wir vorsichtig sein sollen oder dass sich das echt ausserhalb der Komfortzone anfühlt und wir achtsame kleine Schritte in diese Richtung tun sollen. Oder eben auch etwas wirklich nicht tun sollten, weil es uns überfordern würde. Traurigkeit trägt oft die Botschaft, dass wir mit etwas abschliessen dürfen. Das sind nicht immer nur Menschen, welche uns verlassen. Auch Träume, Vorstellungen wie etwas sein sollte oder Lebenskonzepte können das sein, sowie Veränderungen des Körpers, Alters, der Lebensumstände und vielem mehr. Freude kann ebenso überwältigend sein, wenn wir gerne kontrolliert und angepasst unserer Umgebung sind. Ja, oft darf die Botschaft erkannt werden, sie führt zu einem nachhaltigen Schritt des Erkennens und bietet die Möglichkeit, Neues in unser Leben zu integrieren und Altes zu verwandeln. Doch oft zeigt sich die Botschaft nicht direkt, weil das Gefühl gerne zuerst gefühlt wird.

Schritt 5: Sich etwas anderem widmen. It's done!

Das mag vielleicht doof klingen, doch es ist wichtig. Denn genau hier werden Gefühle sonst zu lange gefühlt. Das ist dann wie ein Kaugummi, der noch länger gekaut wird als er eigentlich seinen Geschmack hat. Dies kann Menschen im Gefühls- und vorallem Gedankenkino festhalten. Und ist dann auch kräftezehrend. Deshalb ist es wichtig, es als "es ist erledigt" zu betrachten. Viele Gefühle die tiefer liegen, möchten mehrmals gefühlt werden. Doch sei Dir sicher, wenns ein tiefes Gefühl ist, dann kommt es wieder. Und wenn es wieder kommt, wiederholst du die Gefühlsarbeit von Schritt 1-5. Doch für den Moment "it's done". Nun schau, was Du möchtest. Einen Spaziergang? Unter Freunde? Ein Spiel mit den Kindern? Kochen? Ein Bad? Ein Feuer entzünden? Malen? Schreiben? Gamen?


Egal was, tu es, Du darfst. Gefühlsarbeit braucht Ressourcen, deshalb darfst Du Deinen Energietank nun wieder auffüllen und Dir etwas Gutes tun!


Vielleicht klingt das anstrengend, wenn du das hier so liest. Doch weisst du, Gefühlsarbeit übt sich. Dies ist wie, wenn du ein komplett neues Muskeltraining startest. Du wirst es am Anfang komisch finden und je nach Gefühlen vielleicht sehr anstrengend. Doch nach und nach werden sich Deine Muskeln so aufbauen, dass Du es irgendwann sogar ein Stück weit automatisiert machst und somit ganz leicht und easy. Es wird das neue Normal, ausser es sind zu heftige Gefühle, dann brauchen wir auch als "Profis" gehaltene Räume und Begleitung. Der Selbstschutz und die Angst vor sehr tiefen Gefühlen bedürfen einer liebevollen und gekonnten Begleitung auf der Metaebene. Wo wir es nicht selbst können, dürfen Profis uns dabei unterstützen, so dass wir uns nicht erneut darin verlieren.


Das geniale daran ist

Durch das Selbstmanagement der Gefühle hast Du weniger Konflikte im Aussen. Auch die unausgesprochenen Konflikte sind hier gemeint. Auch nehmen die Bewältigungs- und Kompensationsstrategien ab, die selten sinnvoll und beziehungsfördernd sind. Durch all dies werden die Beziehungen mit den Liebsten viel authentischer und echter. Dazu kommt, dass Du genau auf dieser Ebene die eigenen Kinder Co-Regulieren kannst oder auch distanzierter bist, wenn Freund/innen schlimme Schicksalsschläge erleben. Weil Du weisst, dass es ihnen nichts bringt, wenn Du ihre Probleme zu Deinen machst und Dich zu sehr mit ihrem Leiden identifizierst. Trotzdem kannst Du, wenn Du so ganz bei Dir bist und aus dem Vollen schöpfst, für sie da sein mit Deinem Mitgefühl, Deinem Ohr, Deinem Herzen, Deinen Händen. Jedoch ohne selbst dabei auszubrennen.


Das ist Gefühlsarbeit. Deshalb bin ich so tief überzeugt davon. Weil sie vieles verändert, ohne sichtbar grosse Veränderungen.



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